„Die Fabrik der Zukunft arbeitet datengesteuert – oder sie ist nicht mehr wettbewerbsfähig“
Was kennzeichnet die Fabrik der Zukunft? Wie gelingt Smart Manufacturing? Was gehört in den digitalen Werkzeugkasten für den Shopfloor? Ein Gespräch mit Dr. Ullrich Ochs, Mit-Geschäftsführer der FORCAM GmbH und der ENISCO by FORCAM GmbH. Der promovierte Physiker ist zuständig für Technologie und Entwicklung.
Die Fabrik der Zukunft – wie sieht sie aus, was kennzeichnet sie?
Dr. Ullrich Ochs: Die Fabrik der Zukunft arbeitet weitgehend digital, also datengesteuert. Sie ist gekennzeichnet durch eine digitale Vernetzung von Teilen, Produkten und Prozessen. Stichwort: industrielles Internet der Dinge. Dabei sind IIoT, Digitalisierung und Datenmanagement kein Selbstzweck, sondern sie stellen einen großen und wachsenden Werkzeugkasten von Softwarelösungen dar, mit dem fertigende Unternehmen konkrete Ziele schneller und einfacher erreichen können. Das oberste Ziel jedes Unternehmens ist es, seine Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Dazu muss es effizient und kostenbewusst wirtschaften, flexibel agieren und nachhaltig produzieren können. Genau diese Ziele – Profitabilität, Resilienz und Nachhaltigkeit– kann nur eine digital vernetzte Fertigung optimal unterstützen.
Warum gelingt das nur auf digitalem Wege?
Weil die Märkte von heute vor allem eines fordern: Schnelligkeit bei gleichbleibender Qualität und Liefertreue. Außerdem wünschen sich die Kunden Produktangebote, die eine immer größere Variantenvielfalt und möglichst oft Neuerungen aufweisen. Entsprechend verkürzen sich die Produktlebenszyklen. Diese Marktanforderungen machen eine immer schnellere Anpassung von Produktionsprozessen erforderlich, also eine Anpassung am Herz-Kreislauf-System der fertigenden Industrie. Die Fabrik oder das Fabriknetzwerk eines Unternehmens muss entsprechend flexibel arbeiten können. Diese Flexibilität in komplexen, oft weltumspannenden Produktionsprozessen ist nur durch digitale Technologien zu erreichen. Nur durch digitale Technologien kann heute eine wettbewerbsfähige Produktion organisiert werden – effizient, nachhaltig, flexibel und offen für Innovationen.
Was bedeutet das für Fabrik-IT-Dienstleister wie ENISCO und FORCAM?
Das heißt für Fabrik-IT-Dienstleister wie unsere Gruppe, dass sie Lösungen für digitales Shopfloor-Management mit größtmöglichen messbaren Kundenutzen liefern müssen – und zwar in Sachen Transparenz, in Sachen Effizienz, in Sachen Flexibilität.
Im Idealfall stellt digitales Shopfloor-Management einen geschlossenen Problemlösungskreis dar. In ihm werden, durch Kennzahlen gesteuert, Störungsmeldungen an Maschinen automatisch in Echtzeit beziehungsweise durch Mitarbeiter ausgelöst. Mitarbeiter werden bei der Analyse und Lösung der Störungen unterstützt. Schließlich kann der Erfolg jeder Maßnahme anhand von objektiven Messgrößen nachgewiesen werden – das ermöglicht es, Prozesse laufend zu optimieren.
Der digitale Werkzeugkasten dafür muss ´best-in-class´ sein, damit Unternehmen möglichst alle gewünschten Möglichkeiten des Internets nutzen können.

Ressourceneffizienz heißt das Gebot der Stunde
FORCAM auf der Liste förderfähiger Energiemanagement-Software
Was gehört in einen solchen ´best-in-class´-Werkzeugkasten?
Unternehmen wollen Schnelligkeit durch Flexibilität. Flexible Produktion bedeutet, dass Prozesse und Workflows leichtgängig angepasst werden können, ohne die Software neu programmieren zu müssen. Für diese Flexibilität werden drei Tools benötigt, die miteinander zu orchestrieren sind: Konnektivität, digitaler Zwilling und Interoperabilität.
Konnektivität ist der Generalschlüssel für datengesteuerte Produktion mit Echtzeit- Auswertungen. Verwertbare elektronische Daten gibt es nur mit der Anbindung von unterschiedlichsten Maschinen und Sensoren sowie mit der Vernetzung des Topfloors, der Unternehmensplanung, wo die Aufträge herkommen. Alle Signale werden erfasst, harmonisiert und so aufbereitet, dass sie als Informationen in weiterführenden Systemen wie ein Manufacturing Execution System – MES – zur Verfügung stehen.
Mit digitalen Zwillingen, also digitalen Abbildern von Maschinen- oder Produktionszuständen am Computer, können Nutzer virtuell analysieren und real optimieren. So wird Ressourceneffizienz auf allen Ebenen möglich – vom Material- und Medienverbrauch an der einzelnen Maschine bis zur Stückkosten- und Gesamtkostenoptimierung auf Controlling-Ebene des Unternehmens.
Und drittens die Interoperabilität, das nahtlose Zusammenspiel aller IT-Systeme. Dazu ist ein freier Datenfluss notwendig, der durch offene Schnittstellen wie eine Open API oder Standards wie OPC/UA und MQTT möglich wird.
Ein konkretes Beispiel bitte …
Ein anschauliches Beispiel gibt es im Automotive-Sektor: Ein Zulieferkonzern will bis zum Jahr 2035 CO₂-neutral produzieren. Die Tochtergesellschaften sind für die Umsetzung verantwortlich. Ein Kunde von uns ist eine dieser Tochtergesellschaften. Das dortige Fabrikteam hat die wichtigsten Maschinen digital angebunden, um mehr Energieeffizienz zu erreichen.
Dazu korreliert das Team softwaregestützt die Leistungsdaten der Maschinen mit ihren Energiedaten, sodass sie für jeden Auftrag die jeweils energieffizientesten Maschinen einsetzen können. Der Energieverbrauch konnte so in den vergangenen Jahren um mehr als 20 Prozent reduziert werden, bei gleichbleibenden Prozessen und steigenden Produktionsvolumina.
Was bedeutet dies alles für die Fabrik-IT der Zukunft?
Die Fabrik-IT der Zukunft hat eine einheitliche Datenquelle für alle Anwendungen. Eine zentrale Plattform führt Signale aus allen internen und externen Quellen zusammen, unabhängig von Übertragungswegen und Protokollen. Die Signale werden harmonisiert und in ein konsistentes semantisches Datenmodell gebracht. Dieses stellt die Single Source of the Truth dar, jene einheitliche Datenzentrale, die alle vorhandenen und künftigen IT-Lösungen mit den benötigten Informationen speist.
So werden Echtzeitauswertungen auf allen Ebenen für alle Funktionen möglich:
- Leistungsanalysen einzelner Maschinen für die Werker,
- Dashboards mit historischen und aktuellen Übersichten für Schicht- und Produktionsleiter,
- vorhersagende Wartung durch künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen für Instandhalter,
- Energie- und Ressourcenverbräuche für ESG-Manager,
- Stückkostenentwicklungen für Controller,
- Workflow-, Service- und Qualitätsanalysen für CRM- und SCM-Manager.

SAP Digital Manufacturing Cloud für die diskrete Fertigung
Shopfloor-Management mit SAP.
FORCAM und ENISCO sind Pioniere für datengesteuerte Fertigungslösungen und digitales Shopfloor-Management. Heute hat der Markt viele große wie kleine Anbieter. Wodurch unterscheidet sich unsere Unternehmensgruppe?
Es stimmt: Der steigende Fokus auf Digitalisierung in der Produktion führt dazu, dass sich mehr Firmen auf dieses Themenumfeld fokussieren und Produkte auf den Markt bringen. Allerdings ist die Digitalisierung des Shopfloors nicht erst kürzlich gestartet, und wir bei FORCAM und ENISCO sind auf diesem Gebiet seit rund 25 Jahren aktiv. Unsere Expertinnen und Experten bringen zusammen viele Jahrzehnte an Erfahrung in der digitalen Fertigungssteuerung und in digitalem Shopfloor-Management mit. Dieses Knowhow findet sich in unseren Softwareprodukten sowie in unserer Beratung. Unsere Teams verstehen nicht nur IT, sondern auch OT.
Diese langjährige Praxiserfahrung unterscheidet uns von vielen Marktbegleitern: Wir sind die Experten selbst für komplexe Shopfloor-Anforderungen, das heißt von Produktionen mit vielen verschiedenen Produktvarianten. Wir tragen mit unseren Lösungen und unserer Beratung zu jener Flexibilität bei, welche die Fabrik der Zukunft benötigt.
MES versus IIoT: FORCAM und ENISCO gehören zum Markt der MES-Anbieter. Gleichzeit gilt das industrielle IoT als Konzept der Zukunft. Wie passen MES und IIoT zusammen?
MES und IIoT-Systeme können sich sehr sinnvoll ergänzen. Denn beide Lösungswelten haben ein gemeinsames Ziel: Sie sollen in der Fertigung dazu beizutragen, dass Unternehmen effizienter produzieren können. In beiden Lösungswelten geht es darum, Daten zu erfassen, zu verarbeiten und daraus Analysen und Schlüsse zu ziehen.
Der VDMA hat dazu ein White Paper herausgebracht, zu dem wir beitragen konnten. Darin wird resümiert, dass MES der ,Single Point of Truth´ über die gesamte Wertschöpfungskette im Shopfloor bleibt. Sowohl die Planungsebene ERP, dem Enterprise Ressource Planning, auf der einen als auch die Automatisierungsebene mit IIoT-Lösungen auf der anderen Seite sind in einem modernen MES-System integrierbar.

VDMA-Publikation „MES und Industrial IIoT“
FORCAM hat mitgewirkt am VDMA Whitepaper „MES & IIOT“.
MES und IIoT-Systeme erfüllen demnach unterschiedliche Funktionen?
Ja. IIoT-Systeme ermöglichen den Blick auf technische Echtzeitdaten von einzelnen Maschinen, Anlagen oder Prozessen. Erfasst werden technische Daten wie Temperaturen, Geschwindigkeiten, Verbräuche etc.. Moderne MES ermöglichen hingegen einen 360-Grad-Blick auf alle relevanten Daten, Prozesse und die angebundenen Systeme. Und das standortübergreifend.
MES erfassen technische Daten so, dass sie auch auf einer übergeordneten betriebswirtschaftlichen Ebene nutzbar werden. Sie setzen zum Beispiel die Produktionsdaten aus der Maschinenebene in Zusammenhang mit dem jeweiligen Auftrag. Damit ermöglichen die MES-Daten auch auf der ERP-Planungsebene wichtige Schlussfolgerungen, zum Beispiel zur Energie- und Ressourceneffizienz.
Auch in der MES-Welt herrscht heute das Konzept einer zentralen Datenplattform vor. Warum?
Die Welt der diskreten Fertigung ist in den allermeisten Unternehmen höchst komplex und an individuellen Parametern ausgerichtet. Eine moderne IT-Architektur in der Fertigung benötigt daher vor allem die Fähigkeit, neue Lösungen nahtlos wie Legobausteine zu integrieren. Eine bestehende Architektur bei Kunden soll ergänzt, nicht gefährdet werden. Diese Anforderung können Plattformkonzepte am besten lösen.
Unser MES-Plattformkonzept für die diskrete Fertigung ist integrativ und schnittstellenoffen, modular erweiterbar und geeignet für alle Fertigungstypen. McKinsey hat dazu drei Fabriktypen nach der Anzahl der gefertigten Produktvarianten definiert. Unsere Lösungen unterstützen sowohl die Auftrags- und Einzelserienfertigung mit den meisten Varianten als auch die kundenindividuelle Massenproduktion oder die Großserienfertigung mit geringerer Produktvarianz. Daher stammen unsere Kunden auch aus einem breiten Herstellerspektrum – von Automobilbau und Luftfahrt über Maschinen- und Anlagenbau bis hin zu Medizintechnik, Industriekomponenten und Lagerlogistik.
Stichwort Konnektivität: Wie wichtig ist die Kompetenz der Maschinenanbindung noch in Zeiten von Web-based Tools und neuen Standards wie Low- and No-code-Solutions?
Die Konnektivität spielt eine zentrale Rolle: Wenn keine Daten bereitgestellt werden, können auch keine Daten verarbeitet werden – weder mit klassischen Methoden noch mit modernen flexibleren Ansätzen wie Low- oder No-Code.
Dabei muss man unterscheiden: Moderne Maschinen vereinfachen die Kommunikation, da sie mit etablierten Standards wie OPC/UA arbeiten. Jedoch finden sich in vielen produzierenden Unternehmen auch Maschinen, die entweder gar keine Netzwerkkommunikation zur Verfügung stellen oder nur mit proprietären Protokollen des Maschinenherstellers kommunizieren können. Da diese Maschinen oft noch Jahrzehnte laufen müssen und nicht so bald durch moderne Maschinen ersetzt werden, wird ein Konzept zur flächendeckenden Digitalisierung der Produktion benötigt, um solche Bestandsmaschinen in eine Smart Factory integrieren zu können. Mit unserer Edge-Lösung bieten wir einen Ansatz, der neben modernen Maschinen mit OPC-UA auch vorhandene Maschinen in die Welt der Digitalisierung integrieren kann.
Stichwort Digital Twin, das virtuelle Abbild einer Produktion am Computer: Was genau verbirgt sich dahinter?
Der Digitale Zwilling oder Digital Twin ist ein Ansatz, eine reale, also physikalisch aufgebaute Produktion in einem Modell im Computer virtuell abzubilden. Dabei wird die komplette Fertigungsstruktur mit ihren verschiedenen Hierarchieebenen vom Werk über die Halle zu Teilanlagen und Linien bis hinunter zur einzelnen Maschine in einem Modell abgebildet. Das heißt, auf jeder Ebene der Hierarchie gibt es Modellelemente, die jeweils ein Pendant in der physikalischen Welt haben.
Die Daten der Produktion werden jeweils einem Modellelement des digitalen Zwillings zugeordnet. Dadurch werden die Daten strukturiert und bekommen eine Bedeutung. So sagt die Information „Produktion läuft“ bei einer Maschine etwas über den Zustand der einzelnen Anlage aus, bei einer Fertigungslinie jedoch etwas über einen Maschinen-Verbund, die in der Linie zusammenarbeiten, um die Produkte herzustellen.

FORCAM ist dabei beim Forschungsprojekt „TwinMap – Digitaler Zwilling eines heterogenen Maschinenparks zur Komplettbearbeitung von Bauteilen“ – gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
Der Digitale Zwilling ist damit das Herz der digitalen Fabrik?
Ich würde sagen, er ist das Herz der kontinuierlichen Verbesserung in der Fabrik der Zukunft. Dabei ist der Digitale Zwilling im Grunde nichts Neues. Bereits in den 1990er-Jahren wurde Software entwickelt, die eng mit Maschinen zusammenarbeitet, um ein Problem in der realen Welt zu lösen. So hat eine Logistiksoftware beispielsweise ein Abbild des Lagers in der Datenbank und kann so jederzeit sagen, welche Palette auf welchem Platz im Hochregallager steht. Oder ein SCADA-System hat in den Stammdaten Informationen über die vorhandenen Geräte, Sensoren und Aktoren und kann so Störungen mit Bezug zur Quelle protokollieren und in einer grafischen Darstellung die Geräte darstellen und dabei den Status durch geeignete Farben visualisieren.
Was bieten FORCAM und ENISCO in Sachen Digitaler Zwilling?
Auch unsere Produkte bilden die Aspekte von physikalischen Produktionsanlagen ab, um die Daten entsprechend ihrer Bedeutung darstellen, auswerten und nutzen zu können. Wir liefern vor allem zwei Dinge: Erstens einen Digital Maschine Twin, mit dem die Leistungszustände einer Maschine oder Anlage für ein Fabrikteam abgebildet wird, und zweitens einen Digital Production Twin, in dem die Aufträge aus der ERP-Ebene mit einbezogen werden und übergeordnete Analysen zulassen.
Allerdings will ich auf ein Manko in der Welt der Digitalen Zwillinge hinweisen: Es gibt sehr viele unterschiedliche Modelle. Denn jeder Hersteller von Shopfloor-Software bildet die für die Funktionalität seiner Software notwendigen Aspekte der physikalischen Produktion in seinem proprietären Computermodell ab. Das heißt, jeder Hersteller hat seinen eigenen Digitalen Zwilling, und die Digitalen Zwillinge verschiedener Hersteller sind in der Regel nicht miteinander kompatibel.
Genau dieses Problem adressieren herstellerübergreifende Initiativen wie die Industrial Digital Twin Association, deren Ziel ein gemeinsames Datenmodell für den Digitalen Zwilling ist. Die IDTA wiederum kooperiert mit der Open Industry 40 Alliance, in der auch wir Mitglied sind.
Ist Interoperabilität also nur ein Konzept in weiter Ferne?
Nein, Interoperabilität ist verfügbar. Unser Ansatz ist es, die größtmögliche Interoperabilität und Modularität von IT-Lösungen auf einer Plattform zu bieten, und zwar durch eine Vielzahl von Schnittstellenlösungen – von Plugins zur Anbindung aller international gängigen Fabrikmaschinen über OPC/UA, MQTT und KAFKA bis zu Open API und SAP-Adaptern.
In weiterer Ferne ist nach meiner Einschätzung ein internationaler Standard, sozusagen der IIoT-Generalschlüssel. Wenn es allerdings einen Standard gäbe, an den sich alle Anbieter und Anwender hielten, dann wäre eine branchen- und firmenübergreifende Interoperabilität erreicht.
Ist Künstliche Intelligenz – KI – der neue Zauberstab, der die Produktion revolutioniert?
KI-Apps sind in der Erkennung von Mustern sehr hilfreich. So kann man bestimmte einfache Fleißarbeiten mit KI deutlich besser bewältigen als bislang. Beispiele sind das automatisierte Erkennen von Gut- oder Schlecht-Teilen oder falsche Ausführungen wie Lackierungsfehler. Aber eine Revolution wie die Gesamtsteuerung einer Fertigung durch KI sehe ich noch nicht. Das würde vermutlich nur in menschenleeren Fabriken funktionieren.
Also muss sich der Mensch ändern, nicht die KI besser werden?
Für KI-Lösungen muss in aller Regel zunächst eine breite Akzeptanz hergestellt werden. Sonst gibt es immer wieder Diskussionen über die Sinnhaftigkeit. Menschen sind gewohnt, in ihren Bereichen konkrete Dinge wie Arbeitsplätze oder bestimmte Abläufe zu optimieren. Die Komplexität eines gesamten Produktionsprozesses kann nur eine KI erfassen. Der springende Punkt aber ist, dass eine KI angelernt werden muss. Dies kann auf zweierlei Weise passieren: Entweder, die KI lernt am Computer in Simulationen, oder die KI lernt direkt in der Realität. Letzteres aber würde in einem Produktionsprozess zu einem großen Chaos führen – schließlich muss auch eine KI auch zunächst die ein oder andere falsche Entscheidung treffen, um eine richtige Entscheidung zu lernen. Bedenkt man, dass jede Fabrik individuelle Verhältnisse hat, dann denke ich, dass die Zeit, in der KI-Systeme in der Realität Fertigungsprozesse in ihrer Gesamtheit steuern und damit revolutionieren, noch fern ist.

Vorteile der KI nutzen, ohne Akzeptanz zu verlieren
Eine Publikation der Plattform Industrie 4.0 unter Mitwirkung von FORCAM – Link:
Welche MES-Lösungen erfüllen Kernanforderungen und sollten von Unternehmen unbedingt eingesetzt werden?
Eine digitale Transformation in der Fabrik sollte möglichst als evolutionärer Prozess in Teilschritten organisiert werden. In jedem Teilschritt geht es darum, zunächst Mitarbeiter zu befähigen, dann in Pilotprojekten Erfahrungen zu sammeln und zu optimieren, dann den Rollout zu machen.
An vier wichtigen Funktionen, die MES-Apps erfüllen müssen, können sich Unternehmen orientieren:
- erstens Transparenz – sie wird möglich durch Konnektivität mit Maschinen- und Betriebsdatenerfassung
- zweitens Prozess- und Qualitätssicherung durch Visualisierung, Analyse und Reporting – das ermöglichen MES für Gesamtanlageneffektivität OEE, Energiemonitoring und Rückverfolgbarkeit,
- drittens Planung – mit Feinplanung und digitaler Plantafel,
- viertens Steuerung – mit Dokumentenmanagement und Ticketsystem.
All diese Apps bieten wir modular an. Zusätzlich ist unsere Spezialität die Lösung E-MES. Es handelt sich um ein komplettes Produktionsleitsystem, mit dem wir Kunden dabei unterstützen, Fertigungs- und Logistikprozesse intelligenter, effizienter und flexibler zu machen. So steuern sie mit E-MES Beispiel ganze Lackieranlagen oder Hochregallager.
Die Produktion ist auch ein Element in einer ganzen Lieferkette. Was muss MES in Sachen Supply-Chain-Management leisten können?
Am Shopfloor findet die logistische Übergabe an Lagerhaltung oder Auslieferung statt. Hier kommen zum Beispiel moderne Blockchain-Technologien ins Spiel, also die fälschungssichere Übergabe von Produkten aus der Fertigung an die Folgebereiche der Lieferkette. Eine MES-Plattformlösung sollte entsprechend offen sein, auch mit IT-Systemen außerhalb der eigentlichen Fertigung zu kooperieren.
Vom Code zum Kunden: Wie wichtig ist das Thema User Interface heute, also eine größtmögliche Nutzerfreundlichkeit und -zufriedenheit?
Im Jahrhundert des Handys hat Nutzerfreundlichkeit auch auf dem Shopfloor höchste Priorität. Denn es geht um die dauerhafte Befähigung der Fabrikteams. Nutzeroberflächen sollten so selbsterklärend, anwenderfreundlich und einfach wie möglich sein. Passende User-Interfaces müssen einfach konfiguriert werden können, entweder, weil ein MES das selbst bietet, oder durch einfach zu integrierende Lowcode-Lösungen. Die Auswahl ist heute groß.
On-premise, Edge, Cloud – Was benötigen Unternehmen wirklich?
Das ist ein hochsensibles Thema. Schließlich geht es darum, eine hochverfügbare IT-Infrastruktur aufzubauen und erhalten. Die Möglichkeiten, Daten bereitzustellen, sind vielfältig. Die Cloud bietet bei den etablierten Anbietern mit den Varianten Public, Private und Hosted Private Cloud sicher viele Vorteile, zum Beispiel in Sachen Skalierung, Service und Sicherheit.
Gleichzeitig zeichnet sich aus meiner Sicht ab, dass eine zunehmende Zahl von Unternehmen für einige Aufgaben eine fabrikeigene oder fabriknahe Datenhaltung bevorzugen, also On-premise oder an der Edge. Hauptgrund ist, dass jedes Cloud-Deployment letztlich auf das Internet angewiesen ist, sofern die Infrastruktur nicht auf dem Werksgelände selbst installiert ist. Beim Internet aber kann es immer mal zu Störungen kommen – zum Beispiel durch den berühmten Bagger vor dem Werkstor. Daher sollten Produktions- und IT-Verantwortliche stets genau analysieren, welche Anwendungen On-premise und welche in der Cloud laufen sollten.
Insofern dürfte die Zukunft in hybriden Deployment-Szenarien liegen, also in individuellen Kombinationen aus On-premise, Edge-, Public- und Private-Cloud-Strategien. Das ist auch verständlich. Schließlich entscheiden heute die IT-Architektur und die Datenbereitstellung über Erfolg oder Misserfolg am Markt.
Mit unserem Ansatz der offenen MES-Plattform sind wir auch auf hybride Deployment-Szenarien bestens vorbereitet

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